Gemeinsame Agrarpolitik ab 2020: Wenn Subventionen, dann richtig

Sören Gripp bewirtschaftet 170 Hektar Acker mit Weizen, Gerste, Roggen, Silomais und Ackergras sowie Grünland und hält 110 Milchkühe sowie Mastrinder der Rasse Deutsche Rotbunte in Auufer in Schleswig-HolsteinSören Gripp bewirtschaftet 170 Hektar Acker mit Weizen, Gerste, Roggen, Silomais und Ackergras sowie Grünland und hält 110 Milchkühe sowie Mastrinder der Rasse Deutsche Rotbunte in Auufer in Schleswig-HolsteinSchon das Wort Subventionen! Es hat so einen Beigeschmack von Sozialhilfe de luxe. Da hilft auch der Begriff Direktzahlungen nicht weiter. Es geht um Geld, um viel Geld - darum, wer mehr und wer weniger kriegt und wofür. Die Vereinbarungen zum gemeinsamen Agrarhaushalt der Europäischen Union und ihre nationale Umsetzung sind die Königsdisziplin der Agrarpolitik: Wenn etwas zu gestalten ist, dann hier, und deshalb kommen wir wohl nicht herum um diese unappetitliche Diskussion.

Unappetitlich deshalb, weil jeder Versuch einer echten Reform immer wieder von denen mit Schmutz besudelt wird, die uns Bauern schon seit Jahren die Butter vom Brot nehmen wollen. Jeder Hektar ist doch gleich, jammern die einen und versuchen damit zu retten, dass ihre Großbetriebe und selbst noch börsennotierte Agrarkonzerne bis zum letzten Hektar durchsubventioniert werden. Öffentliche Gelder nur für öffentliche Leistungen, krakelen die anderen und verlangen neue Sumpfdotterblumenprogramme, bei denen mindestens die Hälfte in die Projektbetreuung fließt. Da steht man als Bauer manchmal ziemlich ratlos dazwischen.

Dabei erbringt unsere Landwirtschaft dadurch, dass sie in Europa zu ungleich höheren ökologischen und sozialen Standards, also zu höheren Kosten produziert als die Mitbewerber auf dem Weltmarkt, bereits heute öffentliche Leistungen, nämlich indem sie günstige Lebensmittel in hoher Qualität bereit stellt. Zudem sichert sie die Versorgung der Bevölkerung in Krisenzeiten - und deshalb hat es eine Logik, auch die Landwirtschaft gegen Erlösschwankungen aufgrund von Marktungleichgewichten oder Witterungseinflüssen mit einer flächenbezogenen Basiszahlung abzusichern. Aber das alles sind sehr abstrakte Argumente, so lange keiner mehr echten Hunger kennt.

Soviel Geld wie Ihr möchte ich auch mal vom Staat bekommen, so bekommen wir statt dessen immer wieder zu hören. Am liebsten würde man auf diese ganzen Diskussionen verzichten und auf die Subventionen und auf die Bürokratie und die Verpflichtungen, die damit verbunden sind. Und keiner soll sagen, es ginge nicht ohne dieses Geld.

Natürlich, rein rechnerisch müssten wir fast alle aufhören, würden irgendwann die Subventionen wegfallen. Aber genau deshalb werden in demselben Maße unsere Produkterlöse ansteigen, denn eines wird die milliardenschwere Lebensmittelindustrie inmitten eines kaufkräftigen europäischen Marktes mit Sicherheit nicht riskieren: dass ihr die Rohstoffbasis vor Ort wegbricht. Das billige Einkaufen auf dem Weltmarkt ist ein beliebtes Argument, um uns kleinzureden und einzuschüchtern, aber es ist zugleich eine sehr gewagte Theorie. Denn in dem Moment, wo in Europa Rohstoff in nennenswerter Größenordnung fehlt, wissen diejenigen, die die weltweiten Warenströme kontrollieren, sehr wohl, was die Stunde geschlagen hat. Und dann zählt nicht mehr, wie billig man in Übersee einkaufen, sondern wie teuer man hier verkaufen kann …

Natürlich, die höheren sozialen und ökologischen Standards in Europa sind zunächst ein schwer wiegender Wettbewerbsnachteil. Andererseits wirtschaften wir in äußerst leistungsfähigen Betriebsstrukturen auf natürlichen Gunststandorten, und das wie gesagt in unmittelbarer Nähe einer riesigen Nachfrage nach hochwertigen Lebensmitteln. Wenn jemand keine Angst zu haben braucht vor dem internationalen Wettbewerb, dann sind das unsere bäuerlichen Familienbetriebe.

Allerdings: Alle diese Überlegungen sind theoretisch, die Subventionen sind real. Wir könnten auf sie verzichteten, nur nicht, wenn der Nachbar sie weiterhin bekommt. Und dass die Politiker die Subventionen von sich aus abschaffen würden, ist schon deshalb illusorisch, weil sie sich damit ihrer entscheidenden Einflussmöglichkeit auf die Landwirtschaft berauben würden. So lange der gemeinsame Agrarhaushalt der Europäischen Union Ausdruck gesellschaftlicher Erwartungshaltungen an die Landwirtschaft bleibt müssen wir an dieser endlosen Reform mitwirken, in der Königsdisziplin mitspielen und unsere Vorschläge selbstbewusst einbringen. Alles andere kann nach hinten loslegen, zumal schon wieder wohlmeinende Freunde der Landwirtschaft mit zukunftsweisenden Ideen unterwegs sind, um Teile der Direktzahlungen für sich abzuzweigen - über eine Nachhaltigkeits-Zertifizierung etwa oder die besondere Förderung von angeblich tiergerechten Stallsystemen oder die Bezuschussung von Mehrgefahrenversicherungen gegen Wetterextreme ... das Geld stecken sich gerne Beratungsbüros, Stallbaufirmen und Versicherungskonzerne in die Taschen.

Wie also könnte eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitk ab 2020 aussehen, die einfach und gerecht ist, Großindustrielle und Investmentfonds in die Schranken weist und verlässliche Rahmenbedingungen für unsere bäuerlichen Familienbetriebe schafft? Dafür habe ich die folgenden fünf Vorschläge:

1. Direktzahlungen direkt für den bewirtschafteten Hektar, Wegfall von handelbaren Zahlungsansprüchen,
2. Direktzahlungen nur noch an Betriebe, die sich im Eigentum von ortsansässigen Landwirten befinden (Wohn- und Betriebssitz und 90 Prozent der Flächen im Umkreis von 25 Kilometern),
3. Direktzahlungen nur noch an Betriebe, die weniger als 500 Hektar bewirtschaften (alternativ Förderung der ersten Hektare ausdehnen), jedenfalls eine deutliche agrarstrukturelle Aussage,
4. Verzicht auf eine Stichtagsregelung, d. h. die Eigentümer können sich durch Wohnortwechsel oder Betriebsteilung anpassen, dürfen dann aber nicht an weiteren antragstellenden Betrieben beteiligt sein,
5. Abschaffung von Cross Compliance (Umkehrung der Beweislast) und Greening (kompliziertes Zwangsinstrument), statt dessen Aufwertung der freiwilligen Agrarumweltprogramme als finanzieller Ausgleich von Bewirtschaftungsnachteilen (Ökolandbau, Eiweißfutterpflanzen, Extensivgrünland, Landschaftselemente, Regionale Besonderheiten wie Streuobst, Hanglagen, Nutztierrassen usw.).

Machen wir uns nichts vor: Durch Haushaltsdeckel, Inflation und Greening haben wir in den vergangenen zehn Jahren faktisch bereits rund ein Viertel der Subventionen verloren. Und leben immer noch. Die größere agrarpolitische Gefahr besteht nicht etwa darin, dass die Subventionen weniger werden, sondern dass sie wettbewerbsverzerrend eingesetzt und zum Spielball widerstreitender Interessen werden in einem der Landwirtschaft immer weiter entfremdeten gesellschaftlichen Umfeld.

In welche Richtung sich die Diskussionen zum gemeinsamen Agrarhaushalt entwickeln werden, lässt sich nicht vorhersehen. Aber mit den oben genannten Punkten hätten wir eine Richtschnur, mit der wir in allen noch so kontroversen gesellschaftlichen Diskussionen bestehen können: Direktzahlungen nur noch an ortsansässige Bauern, nicht an auswärtige Kapitalanleger, freiwillige Agrarumweltprogramme statt komplizierter Umweltauflagen. Das wird geradezu idealtypisch dem Anspruch an Politik gerecht, öffentliche Mittel zum Nutzen der gesamten Gesellschaft zu verwenden. Wer diese Forderungen ablehnt, betreibt entweder plumpe Klientelpolitik gegen das Allgemeinwohl - oder will die Subventionen ganz abschaffen … und das wäre, wie gesagt, nicht die schlechteste Lösung.

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