Der Protest in Brüssel hat einen doppelten Boden - was wirklich dahintersteckt

Wer am 18.12.25 dem Aufruf zum Protest des europäischen Bauernverbands COPA (Comité des Organisations Professionnelles Agricoles de la CEE) nach Brüssel folgt, sollte sich vorab einige Fakten zu Gemüte führen:
Als europäischer Landwirt gegen steigende Importe aus südamerikanischen Staaten zu sein – Stichwort: Mercosur-Deal - hat seine Berechtigung. Aber: Im vergangenen Jahr, im Juni 2024, wurde im Namen des Naturschutzes die „EU-Verordnung über die Wiederherstellung der Natur“ in geltendes Recht überführt. Sie schreibt vor, dass bis 2030 mindestens 20 % der Land- und Meeresflächen der EU „in Natur“ umgewandelt werden sollen. Ohne nähere Angaben, wie dieses große Vorhaben überhaupt durchzuführen ist.

Es ist offensichtlich, dass mit dieser „Naturwiederherstellungsverordnung“ umfangreiche Ackerflächen verloren gehen. Und mit ihnen verschwinden heimischer Weizen, Kartoffeln, Mais und Rüben – und weitere Grundnahrungsmittel, die uns versorgen. Ebenso verschwindet Weideland, das für die Haltung der Nutztiere unverzichtbar ist. Wenn künftig EU-weit mindestens ein Fünftel der Produktionsfläche für unsere Lebensmittel wegfällt, stellt sich die Frage: Wie soll diese Lücke geschlossen werden? Die Antwort liegt leider auf der Hand: durch Importe.
Bereits vor über vier Jahren – im September 2021 – stufte eine Studie die Auswirkungen des Green Deal auf die heimische Landwirtschaft als kritisch ein: „Die Maßnahmenvorschläge der Europäischen Kommission in der Farm-to-Fork sowie der Biodiversitätsstrategie des Europäischen Green Deal führen bei vollständiger Umsetzung zu einem erheblichen Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion in der EU.“ Das Gutachten geht zurück auf Prof. Dr. Dr. Christian Henning, Agrarpolitologe und Direktor am Institut für Agrarökonomie der Universität Kiel. 
Damals war die EU bei einigen Produkten – laut Studie - ein wesentlicher Exporteur am globalen Agrarmarkt. Für eine qualitativ und quantitativ hochwertige Nahrungsmittelproduktion bietet der EU-Raum exzellente Bedingungen. Im Jahr 2021 führte die Studie allerdings auch an, dass der starke Produktionsrückgang für Getreide und Rindfleisch im Zuge der Farm-to-Fork-Strategie zu einer Umkehr von einer Netto-Exportposition in eine Netto-Importposition der EU führt. Dadurch werde der Selbstversorgungsgrad reduziert. 
„Dass die beiden Themen „Naturwiederherstellungsverordnung“ und Mercosur-Deal zusammenhängen, liegt auf der Hand,“ sagt Landwirt Jann-Harro Petersen aus Mecklenburg-Vorpommern, der Mitglied bei den FREIEN BAUERNist. „Im Grunde kann man den Politikern kaum einen Vorwurf daraus machen, dass sie versuchen, den selbst verursachten Schaden – nämlich die Aufgabe der Ernährungssouveränität und Krisen-Resilienz – durch verstärkte Importe abzufedern. Zynisch ist jedoch, dass sogenannte landwirtschaftliche Interessenvertretungen diese Entwicklung nicht nur gutheißen, sondern zusätzlich einen jährlichen Mitteleinsatz von 1,5 bis 2 Milliarden Euro fordern, um landwirtschaftliche Flächen und Betriebe herauszukaufen, damit sie den Vorgaben der Naturwiederherstellungsrichtlinien entsprechen. Und gleichzeitig rufen eben diese Verbände zum Protest in Brüssel auf.“